Panik vor der nächsten Zwischenstation - warum der Sprung ins Ungewisse wichtig ist

Es gibt verstörende Phasen im Leben, in denen man zwischen zwei Lebensabschnitten schwebt: etwa in völliger Ratlosigkeit nach dem Abitur, oder wenn man ungeduldig Bewerbungen schreibt und den nächsten Job sucht. Noch verstörender ist es, wenn man gekündigt hat, weil der erste Job nicht das war, was man sich all die Jahre vorgestellt hat. Es kann auch sein, dass man einfach zu gerne reist, zu lange reist, viele Monate unterwegs ist und dann gar nicht mehr weiß, wohin es gehen soll. Oder wo man eigentlich gerade herkommt.
Wenn man sich kurz vor einer solchen Zwischenphase befindet, steigt ein ungutes Gefühl auf. Die Seele kennt diesen Schritt aus der fernen Vergangenheit und weiß um die schwindende Sicherheit. Egal was kommt, eines ist klar: Bald bricht die gewohnte Welt zusammen. Man hat Angst. Der anstehende Kontrollverlust und das Verschwinden des Gewohnten kann lähmend sein.
Das Problem: Wenn man Angst vor dem nächsten Schritt hat, verharrt man unnatürlich lange in einer Lebenssituation, die nicht zur eigenen Persönlichkeit passt. Die Stunden, Tage und Wochen vergehen, in denen man beim falschen Partner bleibt, oder automechanisch und leidenschaftslos seinen Beruf ausübt, und jeden Tag mit dem Gedanken ins Bett fällt, dass man etwas ändern sollte, weil man auf eine Art und Weise sehr unglücklich ist.
Und da kommt sie wieder, die Angst vor der nächsten Zwischenstation, vor dem unbekannten Abgrund, der sich wenige Sekunden nach der schweren, endgültigen Entscheidung auftuen wird. Die Monate vergehen, das ungute Gefühl bleibt bestehen - und man lässt lieber alles so, wie es ist.
Mit Achtsamkeit den Schritt wagen
Spinnen wir die Geschichte doch einmal weiter: Was wäre denn so schlimm daran, wenn man es einfach macht? Die Stadt verlassen, die Beziehung aufgeben, einen neuen Alltag erleben; all das ist nicht so schlimm, wie es sich anhört. Die neue dreckige Großstadt kann durch ihre Laisser-Faire-Attitude so charmant sein, dass man gar nicht mehr weg möchte. Der neue Alltag bringt garantiert Persönlichkeitszüge ans Licht, von denen wir schon beinahe vergessen hatten, dass sie überhaupt existieren. Das alles ist nicht von Kontrollverlust geprägt, sondern kann jede einzelne, tickende Sekunde gesteuert werden. All das entsteht nur durch die eigene Einstellung. Wenn man das aufregende Leben sucht und es nach eigenem Belieben gestaltet, zieht man gewisse Dinge zu sich. Wenn man mit der richtigen Einstellung sein Leben umkrempelt, schält sich das alte Leben solange, bis es zu den selbst gewählten Ansprüchen passt. Gedanken und Einstellungen kreieren die Lebensumstände, nicht andersherum.
Dann ist es auch gar nicht mehr schlimm, mit verbundenen Augen in die nächste Zwischenstation zu springen. Theoretisch kann man jederzeit in die alten Strukturen zurückkehren: Gebäude bleiben stehen, alte Liebhaber kann man wiedersehen. Die sonderbare Erfahrung nach dem Durchleben einer Zwischenstation besteht darin: Man ist so aufgeraut, seelisch durchgeknetet und freigemacht, dass man gar nicht mehr zurück will.
Andrea Bruchwitz
Siehe auch: Lieber unglücklich als unbeschützt glücklich