top of page

Wahre Berufung: Die Motivation eines jungen Unternehmers



Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung hat in einer Studie über das Scheitern von Jungunternehmen eine interessante Entdeckung gemacht: 75 Prozent aller Unternehmen, die aus privaten Gründen geschlossen werden, waren bereits profitabel. So führt meist nicht das fehlende Geld, sondern die bewusste Entscheidung der Gründer zur Aufgabe des Unternehmens. Ja, enormer Stress bringt einen Jungunternehmer häufig dazu, seinen Traum zu begraben, obwohl er aus finanzieller Sicht eine Chance gehabt hätte. Eine traurige Bilanz.


Wie sollte ein Start-Up-Gründer mit viel Stress umgehen? MindfulMag hat einen Jungunternehmer gefragt, der die Verantwortung für 40 Mitarbeiter trägt, regelmäßig 100-Stunden-Wochen absolviert und dennoch jede Nacht selig einschläft. Das Protokoll eines selten zu findenden Menschen, der in den Mittzwanzigern bereits seine wahre Berufung gefunden hat:


„Ich wache erst nach dem dritten Klingeln auf, mein Wecker ist der Snooze-Funktion bereits überdrüssig. Aufstehen. Ich bewege mich geistesabwesend unter die Dusche, wasche mir den Schlaf aus den Augen, bin erst vor vier oder fünf Stunden ins Bett gegangen. Ich weiß, dass ich am heutigen Tag wieder meinen Traum leben werde und doch schwirren mir bereits Alltagssorgen und Organisationsfragen durch den Kopf, die sich in der Morgenroutine mehr laben, als mir manchmal recht ist. Dankbar bin ich dennoch.


Die To-Do-Liste wächst unaufhörlich


Der Fahrer steht vor der Tür. Ich eile hinunter, murmele die Adresse meines Büros und habe schon den aufgeklappten Laptop auf dem Schoß, um während der Autofahrt möglichst viele E-Mails zu beantworten. Ich bin hellwach, die Uhr tickt. Im 25. Stock eines Wolkenkratzers mitten in Kuala Lumpur erwartet mich das gewohnte Szenario – ein neuer Pitch muss heute noch fertig werden, die To-Do-Liste wächst mit jeder Sekunde. Ich arbeite diszipliniert gegen die Zeit an. Bevor ich mich mit jenen Themen geistig auseinandergesetzt und Lösungen gefunden habe, eile ich schon ins nächste Meeting, um meine Mitarbeiter anzufeuern. Es geht weiter. So ist Unternehmertum.


Ich nehme 100-Stunden-Wochen in Kauf und finde mich oftmals in kräftezehrenden Stresssituationen, die von keinem Betriebsrat je geduldet würden. Dafür erhalte ich auch noch eine Bezahlung, die auch in anderen Berufsfeldern bei geringerer Belastung erzielt werden könnte. Warum bin ich dankbar? Aus welchem Grund kann ich tatsächlich behaupten, dass ich jeden Morgen glücklich aufstehe? Es ist recht einfach. Ich sehe in meinen alltäglichen Tätigkeiten und Entscheidungen nicht nur einen höheren Sinn, sondern lebe meine Passion. Ich habe meine Bestimmung gefunden und würde meine unternehmerische Freiheit gegen nichts in der Welt eintauschen wollen.


Das alles erfordert dennoch sehr viel Mut und gleicht einem Sprung ins Ungewisse. Bei mir kommt die räumliche Distanz hinzu, da ich meine Firma wegen der erhöhten Erfolgschancen in Südostasien gegründet habe. Ich bin vor vier Jahren ohne berufliche Kontakte auf einen Kontinent gekommen, um einen Markt aufzumischen, den ich nicht kenne. Ich war ein Fremder.


Das Flugzeug zusammenschrauben


Während einige Kollegen sagten, dass ich verrückt sein müsse, hielt ich mich eher an die Metapher von LinkedIn-Gründer Reid Hoffman: "Unternehmer sind Menschen, die von Klippen springen und das Flugzeug auf dem Weg nach unten zusammenschrauben." Wenn man das unangenehme Gefühl hat, dass sich eine Schraube doch nicht festdrehen lässt, das Flugzeug auseinanderfällt oder man gleich mit dem Boden kollidiert, darf man sich Zweifel auf gar keinen Fall anmerken lassen. Vor Mitarbeitern, Familienmitgliedern und vor allem Konkurrenten und Investoren muss man immer positiv gestimmt sein. Der Druck des permanenten „Gewinnens“ kann enorm hoch sein.


Dieser Stress verblasst jedoch, wenn das „Baby“ wächst, ein großer Kunde unterschrieben hat und ich siehe, wie sich die Mitarbeiter entwickeln. Es gibt diese kostbaren Momente, in denen man mir einen Füller als Dankeschön für eine Beförderung überreicht – mit den Worten, ich solle ihn nutzen um viele weitere Aufträge zu unterschreiben und noch mehr Mitarbeiter einzustellen. In diesen Momenten empfinde ich tiefe Demut.


So kann ich jeden Abend in der Hoffnung einschlafen, am vergangenen Tag hoffentlich an der richtigen Schraube gedreht zu haben und den ersten Flugzeugflügel bald fertigzustellen. Wie wirkt sich das auf mein Leben aus? All das verhilft mir dazu, mit derselben ernsthaften Naivität andere Dinge anzugehen. Meine unternehmerische Leidenschaft strahlt in alle Bereiche meines Lebens herüber. Es ist die Verwirklichung eines Traums – meine Liebsten, die mich vorbehaltlos dabei unterstützen, mögen es mir nachsehen.



Andrea Bruchwitz / Daniel E.

bottom of page